LESEPROBE

Sonntag, den 31. August 2008

Anna ist tot!
Ich bin ganz ruhig und gelassen und wundere mich ein wenig darüber. Ich habe gut geschlafen und nicht geträumt. Kein einziges Mal wachte ich während der Nacht auf.
Es ist mir leichtgefallen, einen Menschen zu töten. Nein, ich muss meine Gedanken korrekter formulieren. Es wäre mir nicht leichtgefallen, einen Menschen zu töten, hingegen kostete es mich keine Überwindung, Anna umzubringen.
Schließe ich die Augen, sehe ich sie vor mir. Ihr Bild, das sich in meinem Kopf festgesetzt hat, quält mich nicht. Ich betrachte es, sage mir, dass sie beeindruckend schön ist. Nein! Sage mir, dass sie beeindruckend schön gewesen ist und Schönheit einen Anfang und ein Ende besitzt.
Schönheit ist endlich, Jugend ist endlich, Treue ist endlich, das Leben ist endlich. In Wirklichkeit habe ich das ausgeführt, was ein anderer, DER GROSSE, der, der unser Schicksal bestimmt, wohl vergessen hat. Ich habe mich lediglich um Gerechtigkeit gekümmert. Ich bin gewissermaßen die Hand des MÄCHTIGEN und deshalb habe ich kein schlechtes Gewissen.
DU sollst nicht töten! DU sollst nicht lügen!
Anna hat gegen meine Gesetze verstoßen, gegen das erste: DU darfst nicht diejenigen betrügen, die dich lieben!
Sie hat gegen mein zweites verstoßen, das da heißt: DU darfst ihnen nicht wehtun! Gegen das dritte: DU darfst sie nicht vergessen!
Als sie sich umdrehte, mir ihren hübschen Rücken zeigte, hob ich die Flasche und schlug zu. Ein einziges Mal! Plopp! Und Schluss ... Ende ... Vorbei - das herrliche Leben!
Ein wenig überraschte es mich, dass sie sofort umfiel. Kein Mucks! Man sollte meinen, die Welt schreit auf, wenn ein Mensch einen Menschen tötet, macht Lärm wegen einer Handlung, die allein der Allmächtige ausführen darf. Empört sich, dass ein kleiner Jemand, wie ich es bin, in den Lauf der Dinge eingreift -, ein Schicksal bestimmt -, Lebensläufe verändert -, die Weichen anders stellt -, Biografien zum Entgleisen bringt.
Doch -, kein Donner -, keine Gewitter -, kein Getöse -, kein Protest. Nur das leise, gleichmäßige Plätschern des Flusses. Die Laute der Natur -, ganz verhalten.
Das Wasser habe ich gehört und einen leicht säuselnden, sommerlichen Nachtwind.
Tiere?
Nein!
Sie schwiegen, waren mucksmäuschenstill, haben zugesehen, wie ich sie die Böschung runterzog, so weit, bis die Ems mit ihren schönen, langen, schwarzen Haaren spielte.


Der Fall Aphrodite

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