Interview mit der Journalistin Nina Hawranke
Sechs Fragen an die Autorin Joana Brouwer
Nina Hawranke: Die nordwestdeutsche Tiefebene gilt ja kulturell wie kriminologisch als wenig spektakulär. Gab dies den Anreiz dafür, hier literarisch das eine oder andere Verbrechen zu platzieren – sozusagen auf unverbrauchtem Pflaster? Joana Brouwer: Ich wurde in der Grafschaft Bentheim geboren. Bin also sozusagen in der nordwestdeutschen Tiefebene zu Hause. Nirgendwo sonst kenne ich mich besser aus als im Emsland und in der Grafschaft. Da die Handlung und die Protagonisten in meinen Romanen immer fiktiv sind, geben mir vertraute Orte höchstwahrscheinlich ein Gefühl der Sicherheit. Sie sind möglicherweise der feste Rahmen, den ich benötige, um dem Gespinst meiner Fantasie letztendlich Konturen zu geben. Was Sie sicher oft gefragt werden: Woher nehmen Sie die Anregungen für „Ihre“ Verbrechen? Was dient Ihnen dabei als Ideenquelle? Eine gute Frage, die ich mir oft gestellt habe und leider nicht konkret beantworten kann. Handlungsabläufe, Protagonisten und deren Charaktere, schwirren plötzlich ungerufen durch meinen Kopf, während ich Kartoffeln schäle, ein Fenster putze, mit meinen Enkelkindern spiele oder spazieren gehe. Die Osnabrücker Detektivin Heide von der Heide ist nicht nur eine funktionelle Figur, sondern sehr menschlich gezeichnet. Sprich: Da hat sich jemand über die Protagonistin ebenso viele Gedanken gemacht wie über den Plot. Was war eher da – Protagonistin oder Plot, Aufklärer oder Verbrechenskonzept? Und inwiefern beeinflusst das eine Element den Charakter des jeweils anderen? Bevor ich »Die Teufelsfrucht« schrieb, entschied ich, dass eine Frau die Hauptrolle in meinen Kriminalromanen spielen wird. Sie besaß zwar noch keinen Namen, aber ich kannte ihre Charaktereigenschaften, hatte sie und auch die Menschen ihres Umfeldes genau vor Augen. Nachdem ich einen Stammbaum der »von der Heide Familie« gebastelt und meiner Detektivin die Figur des Hauptkommissars Dieter Fuchs an die Seite gestellt hatte, entwickelte ich die Person des Frauenmörders von Hallen und arbeitete anschließend den Plot aus. Da Heide jeden Mordfall auf ihre ganz individuelle Art löst, beeinflusst ihr Wesen (ihre menschlichen Schwächen und Stärken), selbstverständlich den Ablauf der Ermittlungen und damit auch die Reaktionen ihrer Kontrahenten. Suchen Sie die Schauplätze Ihrer Bücher vor bzw. während des Schreibens auf? Wo im Emsland sehen Sie weiteres „Potenzial“ für ein Verbrechen? Wie steht es mit dem nächsten Fall für Heide von der Heide? Ist ein viertes Buch bereits in Arbeit? Sobald ich eine Szene schreibe, weiß ich, wie der Handlungsort aussehen sollte und fast immer ahne ich bereits, wo ich ihn suchen muss. In »Die Teufelsfrucht« stellte ich mir eine kleinere Ortschaft bei Lingen vor und fand Baccum. In »Schein und Sein« wünschte ich mir einen idyllisch gelegenen Friedhof und erinnerte mich an den Waldfriedhof in Darme. Für die Geldübergabe in demselben Roman dachte ich auf der Stelle an die Außenanlagen des Schlosses Clemenswerth. In »Valentinstag« benötigte ich die Fundstelle einer Leiche, gelegen an einem Fluss, und stieß auf Hanekenfähr. In der Regel sehe ich mir jeden Handlungsort mindestens zweimal an und fotografiere ihn. Das Emsland besitzt viele Plätze, Dörfer und Städtchen, die sich als Schauplätze für meine Kriminalromane vorzüglich eignen. Vor einigen Tagen haben mein Mann und ich für den vierten »Heide von der Heide-Krimi«, an dem ich arbeite, Fotos in einem Jachthafen geschossen, der sich an einem Altarm der Ems befindet. Ein wahrlich idyllisch gelegenes Plätzchen, so, wie ich es mir vorgestellt habe, als ich die Szene plante. Genau dort wird mein Täter sein Opfer ablegen.
Vielen Dank! Ich bedanke mich auch!
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