BELLES LESEINSEL

Rezension "Der Puppenfänger"

***** von 5

Mitten in der Nacht einen Anruf zu erhalten, das kann nichts Gutes bedeuten. Und so ist es auch. Was sich für die Privatdetektivin Heide von der Heide, die eigentlich auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert ist, wie ein Routinefall anhört, entwickelt sich schon bald zu einem höchst komplexen Fall. Eine Bekannte aus Studienzeiten bittet Heide um Hilfe. Der Ehemann ihrer jüngeren Schwester ist seit mehreren Tagen spurlos verschwunden. Beate stellt den Vermissten Gerald Schöllen als treusorgenden, liebevollen Familienvater dar, der überhaupt keinen Grund hätte, seine Familie zu verlassen. Ergo, etwas muss mit ihm passiert sein. Doch als Heide in das beschauliche Örtchen irgendwo im Emsland reist, muss sie feststellen, dass eigentlich niemand den Unternehmer zu vermissen scheint, ganz im Gegenteil. Als dann auch noch eine Leiche auftaucht, ruft dies Heide's Lebensgefährten Hauptkommissar Dieter Fuchs auf den Plan. Und irgendwie wird Heide das Gefühl nicht los, dass die Bewohner des Dorfes ziemlich genau wissen, was mit Schöllen passiert ist, doch alle schweigen verbissen.

Und wieder einmal kommt Heide ihren Lebensgefährten Dieter in die Quere. Hatte sie noch vor einiger Zeit versprochen, nicht mehr in seinen Gewässern zu fischen, so sieht es jetzt ganz danach aus, als wenn Heide und Dieter wieder einmal in ein und demselben Fall ermitteln. Sehr zum Ärgernis von Dieter, der hiervon absolut nicht begeistert ist. Doch die dickköpfige Heide lässt sich davon nicht beirren. Kurzerhand mietet sie sich über Nacht bei ihrer alten Studienbekannten Beate ein und kaum ist sie im Dorf angekommen, trifft sie auch schon auf die resolute Tanta Martha. Die alte Dame weiß definitiv mehr, als sie Heide verraten will, macht nur rätselhafte Andeutungen und führt damit Heide auf eine Spur, die weit in die Vergangenheit zurückführt. Deutlich ist auch zu spüren, dass die Dorfbewohner Heide zwar nicht gerade feindlich gegenübertreten, aber als einen freundlichen Empfang kann man ihn auch nicht bezeichnen. Und selbst Tante Martha, die sich von niemanden den Mund verbieten lässt, wird mit der Zeit immer schweigsamer und beruft sich auf ihr Alter und somit auf ihre Vergesslichkeit.

Man ahnt sogleich, dass ein Verbrechen der Vergangenheit für das Verschwinden von Gerald Schöllen verantwortlich ist, denn Joana Brouwer steigt mit einem erschütternden Prolog in ihren Krimi ein. Doch um was es hierbei geht, noch wer von den Dorfbewohnern damit in Verbindung steht, das erfährt man erst nach und nach. Wie kleine Puzzlesteinchen setzt sich die Story zusammen, die Autorin verrät immer nur so viel, dass man Vermutungen anstellen kann, aber der Lösung des Falls doch nie auch nur annähernd nahe kommt.

Und schnell merkt man auch, dass die Dorfbewohner nicht unbedingt alle so sind, wie sie zu scheinen vorgeben. Bald schon hat man das Gefühl, dass wirklich ein jeder im Ort ein Geheimnis hat, ja sogar, dass sich das ganze Dorf verschworen hat und mit aller Macht verhindern will, dass dieses Geheimnis an die Öffentlichkeit kommt. Somit lassen sich auch die unterschiedlichen Charaktere sehr schwer einschätzen, was natürlich zusätzlich die Spannung schürt. Diese ist die meiste Zeit eher latent im Hintergrund vorhanden, tritt selten an die Oberfläche, aber dies stört in keiner Weise. Joana Brouwer versteht es perfekt, die Handlung immer weiter voranzutreiben, die Dramaturgie stimmt, die Neugier wird stetig gesteigert. Und mit ihrem eindringlichen, fesselnden und sehr einnehmenden Schreibstil versteht es Joana Brouwer somit wirklich perfekt, einem beste Krimiunterhaltung zu bieten. Das Ganze ist zudem noch gewürzt mit einem guten Schuss Lokalkolorit.
Ein großes Plus dieses Krimis ist auch die Ausarbeitung der Charaktere. Allen voran natürlich Heide von der Heide, eine zielstrebige, dickköpfige und äußerst neugierige Detektivin, die mit ihrem Lebensgefährten Dieter eine Streitkultur pflegt, die immer wieder zum Schmunzeln anregt. Und auch alle anderen Akteure sind lebendig beschrieben, agieren jederzeit glaubwürdig und bleiben stellenweise so rätselhaft, dass sie schwer einschätzbar bleiben. Und auch wenn Heide eine äußerst sympathische Frau ist, stiehlt ihr Tante Martha hier klar die Show. Die alte Dame ist herrlich offen, direkt und dabei in ihren Äußerungen so rätselhaft und verschmitzt, dass man Tante Martha augenblicklich ins Herz schließt.

Fazit: Eine komplexe, wohl durchdachte Story, die fesselnd mit viel Lokalkolorit erzählt wird und mit wunderbar beschriebenen Charakteren absolut überzeugt.